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«Im Niemandsland des Expertensystems»

St.Gallen. Die Universität St.Gallen (HSG) hat am 14. September 2009 82 wirtschaftswissenschaftliche, zwei Doktorate in Philosophy in Economics and Finance, vier staatswissenschaftliche und fünf rechtswissenschaftliche Doktorate verliehen.

Zehn der Absolventen erhielten für ihre Leistung das Prädikat «summa cum laude»(mit höchster Auszeichnung). In seiner Festrede sprach Rektor Ernst Mohr über das Expertentum.
Insgesamt 93 Doktortitel waren es, die Rektor Ernst Mohr an der Promotionsfeier Anfang des Herbstsemsters im Audimax überreichen konnte. Musikalisch umrahmt wurde die Feier von Karl Schimke, Solotubist des Sinfonieorchesters St.Gallen. Gruss-worte an die Promovierten und Gäste richteten Dr. Urs Landolf, Präsident von HSG Alumni und Alumnus Dr. Philipp A. F. Wilhelm.

«Der Müll der Unzuständigkeit» im Niemandsland

«Expertentum» als ein Merkmal unserer Zeit war das Thema der Rede von Rektor Ernst Mohr; Experten, die unser aller Leben «durchdringen» und jeder einzelne, der gleichermassen als Experte in irgendeiner Form selbst fungiert. Dies nannte er als Konse-quenz unserer arbeitsgeteilten Gesellschaft. Arbeitsteiliges Denken bestehe in solch ausdifferenzierter Form, dass als Konse-quenz daraus von einem Expertensystem zu sprechen sei. Die filigran segmentierten Arbeitsbereiche brächten jedoch als Folge ein Expertensyndrom hervor: dieses zeichne sich durch den «Müll der Unzuständigkeit» aus. Je mehr Experten und Segmente gene-riert würden, desto mehr Schnittstellen potenzierten sich darum und umso mehr Unzuständigkeiten täten sich zwischen den Bereichen auf; der Verlust dazwischen wachse – wie die Welt erfahren habe – ins Immense. Das Resultat sei die Finanz- und Wirtschaftskrise, in der sich die Welt heute befinde.

Von der Kunst des Zusammenspiels

Auch wenn jeder Teilbereich professionell oder expertenhaft betrieben werde und für sich einen besonderen Beitrag leiste, sei an den Schnittstellen «so viel durch die Maschen (gefallen), dass der Weltkapitalmarkt ins Wanken geraten war», so Mohr. Für die fatale Entwicklung sah der Rektor als ausschlaggebend, dass sich jeder Experte allein um seinen Expertisenbereich kümmer-te. Mohr zog die Metapher des Zusammenspiels eines Orchesters heran: Hierbei ginge es nicht allein um das fehlerfreie Spielen einzelner Instrumente, sondern vielmehr um das harmonische Zusammenklingen und -spielen von diesen: Erst so käme ein Kon-zert zustande.

Blick über den Tellerrand

Die Wissenschaft als Expertensystem per exemplum sei möglicherweise das fortgeschrittenste überhaupt, sagte Mohr. Nicht das absolute Umschwenken in holistische Betrachtungsweisen sei der Lösungsweg oder gar die Abschaffung von Experten. Vielmehr gelte es, nicht rückwärtsgewandt in alte Schemata, die einmal funktionierten, zurückzufallen; im Gegenteil sei ein Lösungsansatz darin zu finden, indem Randbereiche und Übergänge zu anderen Expertisebereichen schnittstellenorientiert ange-gangen würden. Fortschritt in der Wissenschaft finde zuhauf an den Grenzen der Disziplinen statt, im «zusammenhängenden System von Schnittstellen». Ernst Mohr schloss seine Rede mit einem eindringlichen Appell an die Absolventen, in dem er sie aufforderte, sich erstens der eigenen Expertise-Grenzen und ihrer Schnittstellen bewusst zu werden und zweitens den dringend notwendigen Blick über die Branchenränder zu wagen.

St.GallenSt.Gallen / 14.09.2009 - 17:15:00