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Eine unsichtbare Behinderung – Pfingsten als reale Erfahrung

Rorschach/SG. Rund 500 gehörlose, Taubblinde oder hörbehinderte Menschen aus der ganzen Schweiz trafen sich an Pfingsten auf dem Bodensee.

In der Apostelgeschichte wird erzählt, wie die Menschen am Pfingsttag mit dem Heiligen Geist erfüllt wurden, in fremden Sprachen redeten und einander doch verstanden. Für die rund 500 gehörlosen, hörbehinderten oder taubblinden Menschen ist das Pfingsterlebnis, von dem in der Bibel berichtet wird, im Alltag meist wenig spürbar – am Sonntag auf dem Bodensee wurde es zur realen Erfahrung.

Die Hauptverantwortlichen für das diesjährige Pfingsttreffen der SOGS, Pfarrer Achim Menges, Gehörlosenseelsorger der evang.-ref. Kantonalkirche St. Gallen und Dorothee Buschor Brunner, Gehörlosenseelsorgerin des Bistums St. Gallen, hatten das Treffen unter den Titel „Verstehen und verstanden werden“ gestellt. Gebärdensprache, Umarmungen, Lippenlesen – die Ankommenden am Romanshorner Hafen unterhielten sich prächtig. Für einmal hatten die Hörenden Kommunikationsprobleme, die gehörlosen Menschen erlebten eine eigentliche Umkehrung ihres Alltags.

Wer kann Lormen?
Gehörlosigkeit ist eine unsichtbare Behinderung, aber sie schliesst im alltäglichen Leben mit Hörenden oft aus.  Noch schwerwiegender sind die Kommunikationsprobleme für taubblinde Menschen. Ihnen fehlt neben den akustischen Signalen auch der Blickkontakt. Wie sehr das isolieren kann, hat das «Taubblinde Kultur Forum» während der Fahrt über den See dargestellt. Ansprechen, Gebärden, E-Mail, Telefon, SMS, Radio, TV – alles ist untauglich für die Kommunikation mit ihnen.

Da bleibt nicht mehr viel und doch nicht nichts! Körperliche Berührungen und das Lormen (nach dem Erfinder Hieronymus Lorm) – ein in die Hand «geschriebenes» Alphabet, ermöglichen Taubblinden die Verständigung mit anderen Menschen. Aber nur wenige kennen diese Kommunikationsformen.

Seltsame Ruhe
500 Personen waren an Deck der MS Euregia, feierten, genossen das Zusammensein, plauderten. Die wenigen Hörenden staunten über die ungewohnte Ruhe auf dem Schiff und über die vielen hundert Hände, die ständig in Bewegung waren. Im Gottesdienst mitten auf dem See sprachen Achim Menges und Dorothee Buschor Brunner von der Bedeutung des Pfingstwunders für die Menschen. Alle tragen eine tiefe Sehnsucht in sich, einander zu verstehen, beachtet und geliebt zu werden.

Diese Wünsche nach Verstehen trug auch die Pfingstgemeinde auf dem Schiff in ihrer Sprache vor Gott. Das Evangelium und das Unser Vater wurden in Gebärdensprache vorgetragen und gebetet. Eine Ringschaltung ermöglichte schwerhörigen Teilnehmenden einiges mitzuhören, unter anderem die Sängerin des Gebärdensprach-Gospelchors, deren tolle Stimme durch die gebärdenden Chormitglieder mit viel Temperament übersetzt wurde.

Wünsche an Hörende

 «Ich wünsche mir, dass mehr Hörende die Gebärdensprache lernen», sagt Marzia Brunner, eine Teilnehmerin aus Turbenthal auf die Frage nach ihren Alltagserfahrungen. «Oder dass sie sich zumindest trauen, überdeutlich zu artikulieren und Hochdeutsch zu sprechen, damit wir Lippenlesen können.» Etwas schauspielerisches Talent sei gefragt und Disziplin. Denn beispielsweise durcheinander reden am Tisch schliesse Gehörlose aus, was im Alltag oft vergessen werde. Hier auf dem Schiff fühlt sich Marzia Brunner wie in einer Familie, die Kommunikation ist einfach. An die Hörenden gewandt sagt sie schmunzelnd: «Jetzt sind sie einmal in der Situation, die wir tagtäglich erleben.»

St.GallenSt.Gallen / 02.06.2009 - 14:10:08