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Jugendkontaktpolizei: eine Erfolgs-Story

AR. Kindergangs, Jugendgewalt: Die Kantonspolizei hat ein Rezept dagegen. Ihre Jugendkontaktpolizei ist eine Erfolgsstory.

Es wird zwar weiterhin getrunken bis zum Umfallen. Es gibt brutale Prügeleien, Cannabis-Konsum und Teenie-Kriminalität. Die Zahl kleiner Delikte nimmt zu. Doch die Aufklärungsquote liegt in Ausserrhoden bei hohen 50 Prozent. Bandendelikte gab es in den vergangenen drei Jahren keine mehr.

In Herisau trieb in den 1990er-Jahren eine 16-köpfige Kinderbande ihr Unwesen. Die Kids klauten wie die Elstern. 2002 wurde eine 15-köpfige Jugendgang geschnappt: Sie hatte Taten mit einer Deliktsumme im Umfang von 17 500 Franken begangen und noch viel grösseren Sachschaden angerichtet.

Münchner Modell
2002 entdeckte der Kommandant der Ausserrhoder Kantonspolizei, Hansjörg Ritter, in München ein erfolgreiches Modell. 2004 startete die Ausserrhoder Kantonspolizei als erste in der Schweiz diese neue Form von Jugendkontaktpolizei, angepasst an die Ausserrhoder Verhältnisse.

Inzwischen arbeiten zwei Polizistinnen und zwei Polizisten zu je 50 Prozent als Jugendkontaktbeamte. Andere Kantone übernahmen das Modell und passten es an.

Der Kanton St. Gallen baute einen Jugenddienst auf, Innerrhoden, Thurgau, Graubünden, Solothurn und das Fürstentum Liechtenstein liessen sich inspirieren. Die Polizeikorps Zürich Kanton und Zürich Stadt haben ebenfalls Jugenddienste.

Im September besuchten 50 polizeiliche Jugendsachbearbeiter aus der ganzen Schweiz einen von den Ausserrhodern organisierten Kurs. Sie befassten sich im Rahmen eines nationalen Kursangebots mit den neuesten Erkenntnissen in der Jugenddelinquenz.

Auf der Kippe
«Es sind keine schweren Exzesse mehr zu beobachten, weniger Seriendelikte, wir konnten Bandenbildung verhindern. Das bedingt, dass wir ständig am Puls bleiben», so das Fazit des Jugendkontaktpolizisten Glen Aggeler.

90 Prozent der Jugendlichen bereiten keine Probleme. Von den gefährdeten zehn Prozent haben vier bis fünf Prozent bereits eine kriminelle Karriere hinter sich. «Sie sind Intensivtäter», sagt Jugendkontaktpolizistin Linda Solenthaler. «Uns geht es um die fünf bis sechs Prozent auf der Kippe», sagt Aggeler.

Zur Verhinderung von Delikten suchen die Jugendkontaktpolizisten Szene-Orte auf, nehmen den Jugendlichen die Anonymität. «Das verhindert manchen Blödsinn», sagt Ritter.

Die Jugendkontaktpolizisten sind keine Softies: «Wer mit dem Töffli mal nicht korrekt fährt, dem zeigen wir die gelbe Karte, wenn er gegen das Strafrecht verstösst, zücken wir die rote Karte», sagt Aggeler.

Kein «Räuber und Poli»
Jugendkontaktpolizisten sind weder Pädagogen, noch Sozial- oder Gassenarbeiter und schon gar keine Kumpel. Sie spielen nicht «Räuber und Poli». Sie sind echte Polizisten.

Jugendliche wenden sich an die Beamten als Problemlöser. Daraus ergaben sich Jugendprojekte. Die Polizisten zeigen ihnen, wie man Anliegen einbringt. So entstand beispielsweise ein Teil einer Blader-Anlage beim Sportzentrum Herisau.

«Wir zeigen ihnen den richtigen Weg, bevor sie in den Hammer laufen», sagt Linda Solenthaler. Die Jugendlichen geben der Polizei Hinweise, wenn sie sehen, dass etwas völlig schief läuft, ohne sich als Denunzianten zu fühlen.

Die kritischen Stimmen in- und ausserhalb des Polizeikorps sind verstummt. Die Bevölkerung will eine Jugendkontaktpolizei. 85 Prozent stuften in einer Umfrage die Arbeit der Ausserrhoder Jugendkontaktpolizei als besonders wichtig ein.


Immer brutaler reintreten
Die jungen Polizistinnen und Polizisten wissen, was Teenager interessiert. Sie verstehen ihre Sprache und kennen sich in den elektronischen Medien aus, wie die Jugendkontaktpolizistin Linda Solenthaler sagt.

Immer mehr Delikte werden am Computer, im Internet, mit dem Handy begangen: «Wird mit einem Handy delinquiert, oder das Handy-Verbot an Schulen missachtet, ist das Handy weg. Es wird je nach Fall sogar eingezogen und später vernichtet. Das hat sich blitzschnell herumgesprochen», sagen Linda Solenthaler und Glen Aggeler.

Es wird über Chat gedroht. «Cyber bulling», das Blossstellen und Beleidigen von Lehrern und Mitschülern im Internet, ist eine neue Form von Gewalt. Die Jugendkontaktpolizisten müssen stets auf dem neuesten Stand sein. Die Jugendszene ändert sich rasant.

Perfider
Die Summe der Gewalt ist konstant, aber die Methoden sind perfider, und es gibt mehr Exzesse: «Früher endete eine Schlägerei, wenn einer wehrlos am Boden lag, heute wird dann erst recht brutal reingetreten.»

Vor allem Vandalenakte werden unter Alkoholeinfluss begangen: Jugendliche, die sich bewusstlos trinken, werden mit der Ambulanz ins Spital gebracht. Stark betrunkene Kids liefert die Polizei auch schon mal den Eltern ab.

Die Jugendkontaktpolizei arbeitet in Schulen und mit Eltern, sie kommuniziert mit Gemeinden und Institutionen, organisiert Elternabende, wenn in einem Quartier ein Problem auftaucht, und ist auch nachts unterwegs und auf Pikett, allerdings nicht 24 Stunden lang. «Wir sind eine Drehscheibe, keine Hotline», so die Beamten.

Appenzell AusserrhodenAppenzell Ausserrhoden / 01.10.2007 - 11:02:00