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Offener Brief an Marianne Kleiner

Offener Brief. Ein Leser von appenzell24.ch wendet sich in einem offenen Brief an Nationalrätin Marianne Kleiner.

«Liebe Frau Kleiner,
in der Appenzeller Zeitung vom 3. Oktober werden Sie mit der Aussage zu den «Schaf-Plakaten» der SVP zitiert: «Mit den Messerstecher-Plakaten hatte ich Mühe, mit den Schafen kann ich leben.» Ich bitte Sie zu erläutern, was Sie mit dem «Leben können» meinen. Denn die Bildsprache des SVP-Plakates hat es in sich. Ein weisses Schaf kickt ein schwarzes über die Schweizer Grenze – eine unzweideutige Gewaltszene. Und zwar ist es ein «gewöhnliches» weisses Schaf, das Gewalt gegen das schwarze anwendet. Es ist nicht ein Beamter symbolisiert, der die Ausschaffung des schwarzen Schafes «vollziehen» soll. Also wird nicht nur individuelle Gewaltanwendung verherrlicht, sondern gleichzeitig Selbstjustiz propagiert. Damit werden das staatliche Gewaltmonopol und das gewaltfreie Zusammenleben in unserer Gesellschaft in Frage gestellt.

«Sicherheit schaffen» steht als Motto dazu. Das Faustrecht soll also an die Stelle des Rechtsstaats treten, wie es Neonazis auf dem Rütli durchzusetzen versucht haben. Können Sie als freisinnige Politikerin mit all dem – Propaganda für Gewalt, Selbstjustiz und Faustrecht – leben? Aber das ist ja noch nicht alles. Die Farbgebung der Schafe suggeriert, dass Weisse das Recht haben, Schwarze zu schlagen. Damit wird – auch wenn das die SVP heftig bestreitet – nicht nur Rassismus an sich legitimiert, sondern darüber hinaus rassistische Gewalt. Können Sie auch damit leben? Oder gehören Sie zu jenen, die einwenden, so wörtlich dürfe man das nicht nehmen, es gehe nicht um Schwarze und Weisse, sondern lediglich um die sprichwörtlichen «schwarzen Schafe»?

Aber diese Interpretation ist keineswegs harmloser, im Gegenteil. Denn Gewaltverherrlichung, Selbstjustiz und Faustrecht bleiben, der Kreis der Opfer wird aber ausgeweitet. Und wenn man das Sprichwort ernst nimmt, dann geht das weit über den Zusammenhang der sogenannten «Ausschaffungsinitiative» der SVP hinaus. Dann sollen nicht nur sog. «kriminelle Ausländer» und ihre Angehörigen aus der Schweiz ausgeschafft werden, sondern generell die «schwarzen Schafe». Schweizer Staatsangehörige dürfen aber nicht aus der Schweiz ausgeschafft werden. Also ruft die SVP bei dieser Interpretation nicht nur zu Gewalt und Selbstjustiz auf, sondern auch zur Hetzjagd auf eigene Staatsangehörige und zu ihrer Vertreibung aus der Schweiz.

Wenn man das Bild also nicht direkt, sondern auf einer symbolischeren Ebene interpretiert, dann will die SVP die Möglichkeit schaffen, generell «schwarze Schafe» aus der Schweiz auszuweisen – konkret sie also auszubürgern. Dafür gibt es ja durchaus historische Beispiele – aber nicht von Rechtsstaaten und Demokratien. Und das stünde eindeutig im Widerspruch zum Völkerrecht (das von Bundesrat Christoph Blocher ausdrücklich in Frage gestellt wird). Ich kann nicht glauben, dass Sie auch damit leben könnten.

Aber Sie werden in der Dezembersession als Mitglied der Vereinigten Bundesversammlung vor die Frage gestellt sein, ob Sie Herrn Blocher wieder in den Bundesrat wählen. Nun, was hat das mit den «Schafs-Plakaten» zu tun? Herr Blocher ist der unbestrittene Führer der SVP, wie die entsprechende Plakatkampagne auch auf der symbolischen Ebene klar gemacht hat. Ohne sein Wissen und seinen Willen kann nichts Bedeutendes in seiner Partei unternommen werden. Sind Sie bereit, den Mann, der letztlich für die Werbung gegen elementare rechtsstaatliche Grundsätze der Schweiz – wie das staatliche Gewaltmonopol, Diskriminierungsverbot und garantierte Grundrechte – verantwortlich ist, wieder in den Bundesrat zu wählen?»

Mit freundlichen Grüssen Ruedi Tobler
Lachen

Appenzell InnerrhodenAppenzell Innerrhoden / 15.10.2007 - 08:30:00